Mitten in der Altstadt von Passau liegt das Kloster Niedernburg, ein historisches Kleinod, das die Zeiten überdauert hat. Offiziell als Benediktinerinnenkloster Niedernburg bekannt, reicht die Geschichte dieses Klosters bis ins 8. Jahrhundert zurück. Ursprünglich als bayerisches Frauenstift gegründet, hat es im Laufe der Jahrhunderte verschiedene religiöse Orden beherbergt und bedeutende historische Ereignisse überstanden. Heute ist es ein faszinierender Ort für Besucher, der einen Einblick in das spirituelle und kulturelle Erbe Bayerns bietet.
Die Ursprünge des Klosters Niedernburg liegen im Dunkel der Geschichte, wobei die Gründung traditionell auf das Jahr 772 unter der Schirmherrschaft von Tassilo III. und Liutberga von Bayern datiert wird. Einige Quellen deuten jedoch auf eine noch frühere Gründung um 739 hin, die mit der Organisation des bayerischen Bistums in Passau zusammenfällt. Archäologische Funde zeigen, dass die erste Kirche an diesem Ort um 700 entstand, was sie zu einer der ältesten religiösen Einrichtungen der Region macht.
Nach der Absetzung von Tassilo III. im Jahr 788 kam das Kloster Niedernburg unter königliche Kontrolle. Die erste urkundliche Erwähnung des Klosters stammt aus dem Jahr 888, als König Arnulf eine Belehnungsurkunde für die Besitztümer Niedernburgs ausstellte. Im Jahr 1010 verlieh Kaiser Heinrich II. dem Kloster die Reichsunmittelbarkeit, wodurch es von der lokalen Gerichtsbarkeit befreit wurde und bedeutende Privilegien erhielt. In dieser Zeit stiegen bedeutende Äbtissinnen wie Heilika, die die Benediktinerregel einführte, und Gisela von Bayern, die Schwester von Kaiser Heinrich II. und Witwe von König Stephan I. von Ungarn, die hier im 11. Jahrhundert begraben wurde, auf.
Im 12. Jahrhundert begann der Niedergang des Klosters Niedernburg. Im Jahr 1161 übertrug Kaiser Friedrich I. Barbarossa das Kloster an den Bischof von Passau und entzog ihm die Reichsunmittelbarkeit. Nachfolgende Bischöfe, wie Wolfger von Erla, festigten ihre Kontrolle und machten Niedernburg zu einem bischöflichen Eigenkloster. Trotz dieser Veränderungen blieb das Kloster ein bedeutendes religiöses und kulturelles Zentrum, dessen Äbtissinnen eine wichtige Rolle im spirituellen Leben der Region spielten.
Eines der beeindruckendsten Merkmale des Klosters Niedernburg ist die Klosterkirche Zum Heiligen Kreuz, eine romanische Pfeilerbasilika aus dem 12. Jahrhundert. Die Architektur der Kirche zeugt von mittelalterlicher Handwerkskunst, mit einem spätgotischen Chor, der zwischen dem 15. und 16. Jahrhundert hinzugefügt wurde. Die Kirche beherbergt auch die Erasmus-Kapelle, die vom linken Seitenschiff getrennt ist und ein Taufbecken, ein Wandfresko und eine Pietà-Gruppe aus dem Jahr 1420 enthält. Das Hochaltar-Kreuz aus dem Jahr 1508 und die barocken Gewölbe des Kirchenschiffs, die nach den verheerenden Stadtbränden von 1662 und 1680 rekonstruiert wurden, tragen zur historischen Anziehungskraft der Kirche bei.
Das Kloster Niedernburg ist eng mit Gisela von Bayern verbunden, einer verehrten Figur in der ungarischen Geschichte. Ihr Grab wurde im 15. Jahrhundert zu einem Wallfahrtsort für ungarische Besucher. Giselas Vermächtnis lebt weiter, ihr Grab zieht Pilger und Geschichtsinteressierte gleichermaßen an. Das Kloster gründete 1582 eine Schule, die sich zu den Gisela-Schulen entwickelte und ihre Bildungsmission fortsetzt.
Während der Säkularisation von 1806 wurde das Kloster aufgelöst und seine Gebäude für verschiedene staatliche Zwecke genutzt, darunter ein Erziehungsheim und eine Anstalt. 1836 lud Bischof Karl Joseph von Riccabona die Englischen Fräulein ein, ein Kloster zu gründen und die Bildungsrolle des Klosters wiederzubeleben. Sie gründeten das Gisela-Gymnasium, die Gisela-Realschule und ein Internat, die bis heute in Betrieb sind.
Im Juli 2017 verließen die Englischen Fräulein das Kloster Niedernburg aufgrund sinkender Mitgliederzahlen und des fortgeschrittenen Alters der Schwestern. Die Kirche ist nun nur noch sporadisch geöffnet, und die Gisela-Schulen und das Internat sind die Hauptnutzer der Gebäude. Die Zukunft des Klosterkomplexes wird derzeit zwischen der Diözese Passau und dem Freistaat Bayern verhandelt, wobei es um Eigentum und Nutzung geht.
Neben dem Kloster steht die ehemalige Marienkirche, eine bedeutende romanische Struktur aus dem 12. Jahrhundert. Obwohl sie durch einen Brand im Jahr 1662 weitgehend zerstört wurde, bieten die erhaltenen Teile, darunter ein Vestibül mit einem Wandmalereizyklus, der zwischen 1944 und 1953 freigelegt wurde, einen Einblick in ihre historische und künstlerische Bedeutung. Die Fresken, die einen Lazarus-Zyklus und eine thronende Madonna darstellen, stammen vermutlich aus dem späten 12. Jahrhundert und bereichern das historische Erbe des Ortes.
Eine faszinierende Legende rankt sich um das Grab von Gregorius, einem armenischen Erzbischof, der angeblich während einer Sonnenfinsternis am 23. September 1093 starb. Sein Grab, das bei Ausgrabungen 1978 entdeckt wurde, enthielt Bleiplatten mit Details seines Lebens und Artefakte wie eine Gürtelschnalle und ein Brustkreuz, die jetzt im Museum Kastell Boiotro ausgestellt sind. Die Überreste von Gregorius wurden 1982 im Mittelschiff der Kirche wieder beigesetzt und markieren eine einzigartige Verbindung zwischen Passau und der armenischen christlichen Tradition.
Das Kloster Niedernburg ist mehr als nur ein historischer Ort; es ist ein lebendiges Zeugnis des spirituellen, kulturellen und pädagogischen Erbes Bayerns. Seine Mauern hallen wider von den Geschichten der Äbtissinnen, Pilger und Gelehrten, die seine Geschichte geprägt haben. Ein Besuch in diesem bemerkenswerten Kloster ist eine Reise durch die Zeit und offenbart den beständigen Geist eines Ortes, der Jahrhunderte des Wandels und der Kontinuität erlebt hat.
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